Ausgangssituation
In Deutschland werden jährlich über 50.000 Tiere für Aus- und Fortbildungszwecke von Ärzten und Tierärzten eingesetzt, um Operationen an Mensch und Tier zu erlernen und zu trainieren. Aufgrund anatomischer Unterschiede zwischen den Spezies beinhalten viele an Tieren erlernte Operationstechniken das Risiko, sich diese falsch einzuprägen. Für viele operative Grundtechniken ist das „Modell Tier“ deshalb ungeeignet. Realistische und vor allem funktionelle Modelle sind daher dringend notwendig. Diese fokussieren sich auf ausgewählte Prozeduren und anatomische Strukturen und sind für die Grundausbildung von Chirurgen sowie für die patientenindividuelle Operationsplanung hervorragend geeignet. Um Organmodelle schnell und nach individuellen Vorgaben fertigen zu können, bietet sich die additive Fertigung an. Die Vorteile der additiven Fertigung liegen vor allem bei der Abbildung individueller Pathologien und eröffnen neue Möglichkeiten in der OP-Aufklärung für den Patienten und die „greifbare“ OP-Vorbereitung für den Chirurgen. Deutliche Grenzen sind jedoch durch die zurzeit verwendeten Materialien gesetzt. Druckbare Kunststoffe und Silikone bilden zwar Form und Farbe sehr präzise ab, sind jedoch in der Funktionalität begrenzt und durch chirurgische Werkzeuge nur sehr eingeschränkt bearbeitbar. Weder sind Nähen oder Schneiden an Kunststoff-Modellen möglich, noch kann daran mit dem elektrochirurgischen Equipment geschnitten oder koaguliert werden.
Projektziel
Es sollten kollagenbasierte Rezepturen für die additive Fertigung von Organmodellen entwickelt werden. Das Material sollte im FDM-Verfahren zur Herstellung funktioneller und individualisierbarer Organmodelle verwendet werden können. Die Modelle sollten mit dem Equipment eines OP-Saales elektrochirurgisch bearbeitbar und in der Bildgebung (CT, US) darstellbar sein.
Lösungsweg
Aus bovinen Häuten wurde Kollagen-Pulver hergestellt. Durch die Abmischung mit Wasser, Salzen, Farbstoffen und Weichmachern wurden Rezepturen erarbeitet, welche mit dem Kartuschensystem des BioScaffolders 3.0 der GeSiM mbH Radeberg bei erhöhter Temperatur und Druck über eine Düse mit 250 µm Düsendurchmesser zu Strängen extrudiert und abgelegt werden konnten. Die Rezepturen wurden rheologisch charakterisiert. Mittels FDM-Verfahrens aus den Rezepturen hergestellte definierte Formkörper wurden mechanisch hinsichtlich Zug- und Druckfestigkeit untersucht. Es erfolgte eine umfassende Materialqualifizierung hinsichtlich der technischen Randparameter Druck, Temperatur und Verfahrgeschwindigkeiten für das verwendete Druckersystem.
Ergebnisse | Nutzen
Aus thermoplastisch verarbeitbarem Kollagenpulver (TC) und Additiven können Materialien hergestellt ("gedruckt") werden, um (kleine) funktionelle Modelle und vor allem Befunde für die Implementierung in größeren Modellen für das chirurgische Training anzufertigen. Die Modelle sind elektrochirurgisch bearbeitbar und können in der medizinischen Bildgebung dargestellt werden. Anwender der Organmodelle sind Instrumentenhersteller, Assistenzärzte und Studierende in Ausbildung sowie Ärzte im OP-Dienst zur OP-Planung und Patientenaufklärung. Die Modelle sollen für planbare Ausbildungsveranstaltungen und vor allem für die laufende chirurgische OP-Planung, also innerhalb weniger Tage, zum Einsatz kommen.
Dank
Das Forschungsvorhaben „Thermoplastisches Kollagen für 3D-Druck von Modellorganen“, Reg.-Nr.: 49MF200006 wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Innovationskompetenz (INNO-KOM) – Modul Marktorientierte Forschung und Entwicklung (MF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.