Ausgangssituation
PVC ist eines der wichtigsten Kunststoffprodukte der chemischen Industrie und kann sowohl als starres hart-PVC oder flexibles Weich-PVC hergestellt werden. Zur Erzeugung von Weich-PVC müssen Weichmacher in die Polymermatrix inkludiert werden. Für Weich-PVC wurden in der Vergangenheit Phthalatweichmacher genutzt. Durch alternative unbedenkliche Weichmacher kann zum Teil ganz auf Phthalate verzichtet werden. Bei PVC-Bahnenwaren werden simultan lösungsmittelbasierte Decklacke vermehrt durch wasserbasierende Lacksysteme ersetzt, da umweltschädliche Lösungsmittel und Prozessgase aufwändig aufgefangen, aufbereitet und entsorgt werden müssen. Durch die Substitution von eigentlich etablierten Systemen wie Phthalat-Weichmachern und lösungsmittelbasierenden Lacken ergeben sich zeitgleich zwei signifikante Veränderungen im Herstellprozess für PVC-Bahnenwaren. Die Problemstellung für die PVC-Verarbeiter ergibt sich aus den veränderten Wechselwirkungen der alternativ eingesetzten Weichmacher mit der Polymermatrix und den Lacksystemen. Zumeist unterscheidet sich das Gebrauchs- und Migrationsverhalten deutlich von dem der bisherigen Produkte, wodurch die Gebrauchseigenschaften der Folienmaterialien zum Teil erheblich leiden. Es ist daher ein neuartiges Konzept wünschenswert, mit dem die ungewünschte individuelle Migrationsneigung verschiedener Weichmachersysteme in einfacher und preiswerter Art und Weise inhibiert werden kann.
Projektziel
Ziel des Projektes war die Erarbeitung eines Konzeptes zur spezifischen Verminderung der Weichmachermigration aus PVC-Bahnenwaren durch die Applikation siliziumorganischer Nanobeschichtungen mittels Atmosphärendruckplasma auf diesen Waren. Zusätzlich sollten die Beschichtungen durch gezielte Funktionalisierung als Haftvermittler für wasserbasierte Decklacksysteme dienen.
Unter Variation von Precursoren und Prozessparametern sollten siliziumorganische Nanobeschichtungen appliziert und eingehend analysiert werden. In den Untersuchungen sollten spezifische Barrierewirkungen der siliziumorganischen Nanoschichten gegen eine Vielzahl von Weichmachern bestimmt werden. Das Ziel der Arbeiten lag in der Erarbeitung von maßgeschneiderten Vorgehensweisen zur Eindämmung der spezifischen Weichmachermigration um 80 %. Folglich sollte der PVC-verarbeitenden Industrie ein neues Konzept zur Verhinderung ungewünschter Weichmachermigration zur Verfügung gestellt werden. Als Folge der Barrierefunktion wurde erwartet, dass gleichzeitig die Diffusion von äußeren Fremdstoffen wie z. B. Fetten in die PVC-Matrix erfolgreich unterbunden werden kann. Durch angepasste chemische Funktionalisierung der siliziumorganischen Barriereschichten sollte es gleichzeitig möglich werden, diese als Haftvermittler insbesondere für wasserbasierte Decklacke zu nutzen.
Lösungsweg
Es wurden sowohl selbst hergestellte weich-PVC-Folien als auch von PA-Mitgliedern zur Verfügung gestellte Muster von Kunstledern und Schwimmbadfolien untersucht. Als Weichmacher wurden in den Folien DEHP, DINP und Citrofol Bll eingesetzt. ln den Industriemustern waren neben DINP noch DIDP, Pevalen und weitere phthalatfreie Weichmacher verarbeitet. Mittels Dielektrischer Barrierenentladung (DBE), Plasmadüse und Kaltplasmaanlage wurden unter Atmosphärendruck SiOx-Schichten auf den Proben erzeugt. Als Precursoren kamen HMDSO, TEOS, HMDSN, OMCTS und APTMS zum Einsatz.
Ergebnisse | Nutzen
Die besten Barriereschichten wurden mit DBE erzeugt. Mit HMDSO konnten Sperreffizienzen von 95 % erreicht werden. Praktisch keine Sperreffizienz wurde mit APTMS erzielt. Die hohen Sperrwirkungen traten gegenüber den Phthalatweichmachern auf. Die Wirkung gegenüber phthalatfreien Weichmachern war deutlich geringer. Problematisch bleibt die Funktion des Haftvermittlers. Die verwendeten Lacke (auf PU- und Acrylat-Basis) konnten nicht haftfest auf den SiOx-Schichten aufgetragen werden. Dies offenbarten die durchgeführten Abrieb- und Knickbeständigkeitsprüfungen. Hier ist eine Anpassung des Lackes an die Sperrschicht erforderlich. Unabhängig davon konnte nachgewiesen werden, dass mit entsprechend optimierten Systemen aus PVC, Weichmacher, für die Sperrschicht verwendetem Precursor und Decklack migrationsarme Waren hergestellt werden können.
Da die Beschichtung mit DBE bei Atmosphärendruck geschehen kann, halten sich die Anschaffungs- und Betriebskosten der Plasmaanlagen in Grenzen. Damit ist das Verfahren auch für KMU einsetzbar.
Dank
Das IGF-Vorhaben 20856 BR der Forschungsvereinigung „FILK Freiberg Institute gGmbH, Meißner Ring 1 – 5, 09599 Freiberg“ wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.