Ausgangssituation
Kratzer auf Bezugsmaterialien lösen im Allgemeinen Kundenunzufriedenheit aus, da sie als Produktmangel wahrgenommen werden und einen täglich sichtbaren Störfaktor bilden, weshalb die Kratzfestigkeit ein wichtiges Kriterium für die Optimierung von Bezugsmaterialien darstellt. Kratzer auf weichen, viskoelastischen Materialien und deren Wirkung auf den Kunden wurden bisher aber nicht systematisch, wissenschaftlich untersucht. Eine harte, haptisch unangenehme Oberflächenbeschichtung ist aktuell oft die Methode der Wahl zur Reduzierung der Kratzanfälligkeit. Über andere Möglichkeiten, die Kratzanfälligkeit auf Ledern und Kunstledern zu verringern, gab es bisher kaum gesicherte Erkenntnisse. Auch eine Methode zur objektiven und quantitativen Bewertung von Kratzern auf solchen Materialien existierte nicht, da sich die Kratzer in Ausprägung und Erscheinungsform sehr stark unterscheiden können und aufgrund des komplexen Deformationsverhaltens des Substrats in ihren Abmessungen messtechnisch nicht erfassbar sind.
Projektziel
Ziel des Projektes war die Verbesserung der Möglichkeiten zur zielgerichteten Optimierung von Bezugsmaterialien hinsichtlich der Kratzanfälligkeit. Der vom Kunden subjektiv empfundene Störfaktor des Kratzers (Kratzersichtbarkeit) wurde dabei als wesentliches Optimierungskriterium angesehen.
Lösungsweg
Auf einer Auswahl von Praxismaterialien, die die Eigenschaftsvielfalt von Leder- und Kunstledermaterialien hinsichtlich Dicke, Materialaufbau, Art des Deckstrichs, Farbe, Narbung usw. widerspiegeln, wurde mit verschiedenen Kratzspitzen und Belastungen eine Vielzahl sich in Erscheinungsform und Ausprägung unterscheidender Kratzer erzeugt. Diese Kratzer wurden sowohl nach aktuellem Stand der Technik visuell beurteilt als auch in mehreren Probandenstudien nach verschiedenen Kriterien subjektiv bewertet. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden einerseits genutzt, um eine objektive Methode zur quantitativen Kratzerbewertung zu entwickeln und andererseits, um neben der Kratzfestbeschichtung andere Möglichkeiten zu ermitteln, die Kratzersichtbarkeit zu verringern.
Ergebnisse
Da für Leder und Kunstleder vor allem die visuelle Wahrnehmung des Kratzers durch den Kunden entscheidend ist, wurde im Projekt eine objektive Bewertungsmethode entwickelt, die auf der Auswertung einer fotografischen Nahaufnahme des Kratzers beruht. Die mit dem Kratzer verbundenen Deformationen, Materialaufwerfungen oder aufgerissenen Ränder rufen bei einer bestimmten Beleuchtung Veränderungen in den Licht-Schattenverhältnissen hervor. Um die entstehenden Unterschiede in den Farbintensitätsverteilungen anhand des Fotos detektierbar zu machen, wurde im Projekt ein Auswertealgorithmus entsprechend entwickelt, dass eine möglichst gute Korrelation zur in Probandenstudien ermittelten Kratzersichtbarkeit vorlag. Damit existiert erstmals für die Materialoptimierung eine objektive und quantitative Methode zur Bewertung der Kratzersichtbarkeit.
Auf Grundlage der durchgeführten Untersuchungen steigt die Kratzersichtbarkeit:
für ein Material (nicht linear) mit der Belastung.
entscheidend mit der Erscheinungsform des Kratzers in der Reihenfolge: glatter Schnitt < ausgeprägte Rille < stückweise aufgerissenes Material < tiefer Kratzer mit ausgefransten Kanten < ausgefranster Kratzer mit seitlichen Materialaufwerfungen
bei gleicher Erscheinungsform des Kratzers mit der Intensität der Farbe, der Feinheit der Narbung und dem Glanz der Oberfläche
Narbungen, die kratzerähnliche Strukturelemente, wie lange, zufällig orientierte Linien oder Vertiefungen enthalten, können dagegen die Kratzersichtbarkeit sehr stark herabsetzen.
Danksagung
Das Forschungsvorhaben „Kratzersichtbarkeit auf Bezugsmaterialien“, Reg.-Nr.: 49MF180009 wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Innovationskompetenz (INNO-KOM) – Modul Marktorientierte Forschung und Entwicklung (MF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.