Ausgangssituation
Während der Herstellung von Leder entstehen in den Gerbereien erhebliche Mengen an flüssigen und festen Nebenprodukten. Der Schritt des Äschers spielt dabei eine zentrale Rolle. Hier werden unter anderem die Haare von der eingesetzten Rohhaut entfernt. In Abhängigkeit des gewählten Äscherverfahrens fällt das Haarmaterial entweder als hochviskoser Haarschlamm oder in Form verfilzter Haarbällchen an. Beide Nebenprodukte werden bislang von den Gerbereien zusammen mit anderen Prozessreststoffen kostenpflichtig kompostiert oder auf Deponien entsorgt. Eine geeignete Verwendung der anfallenden Haare als Rohstoff für andere Produkte ist somit aus ökonomischer Sicht sowie aus Umweltschutzgründen sinnvoll und wichtig.
Projektziel
Ziel des Projekts war die Verwertung von in Gerbereien anfallendem bovinem Haarmaterial zu Keratinlösungen und Keratinpartikeln für die Anwendung als Additiv in kosmetischen Produkten. Zu diesem Zweck sollten chemische und mechanische Verfahren etabliert und durch eine kontrollierte Prozessführung Keratinderivate mit unterschiedlichen Eigenschaften hergestellt werden. Neben den technologischen Arbeiten umfasste das Projekt die analytische Charakterisierung der erzeugten Keratinderivate.
Lösungsweg
Zur Gewinnung von geeignetem Ausgangsmaterial wurden Rinderhäute beschafft und im hauseigenen Gerbereitechnikum mittels eines oxidativ-enzymatischen Äscherverfahrens enthaart. Das anfallende Haarmaterial wurde mittels Filtration abgetrennt, im Anschluss gewaschen, entfettet und für die weitere Aufbereitung getrocknet. Zusätzlich wurden von den Häuten unbehandelte bovine Haare als Referenzmaterial gewonnen.
Die unbehandelten und geäscherten bovinen Haare wurden verschiedenen Solubilisierungsverfahren unterzogen, um auf diese Weise lösliche Keratinhydrolysate zu erzeugen. Dabei erfolge eine Variation der Agenskonzentration, der Versuchsdauer sowie der Prozesstemperatur. Die gewonnenen Lösungen wurden aufkonzentriert und hinsichtlich ihres Molekulargewichts, ihrer Aminosäurezusammensetzung sowie des Gehalts an freien Thiolgruppen charakterisiert. Zur Gewinnung von Keratinpartikeln wurden die bovinen Haare mit Hilfe einer Schneidmühle, einer Kugelmühle sowie einer Kryo-Prallstrahlmühle vermahlen. In der Schneidmühle kamen Siebeinsätze mit unterschiedlichen Maschenweiten zum Einsatz. Die Kugelmühle wurde für die Versuche zum einen bei Raumtemperatur betrieben. Zum anderen wurden die Mühlenbehälter zusammen mit dem Mahlgut vor dem Mahlen bei -80 °C temperiert. Es wurden mehrere Mahlgänge durchgeführt. Für das Mahlen mit der Kryo-Prallstrahlmühle wurde das Mahlgut im Vorfeld mit flüssigem Stickstoff behandelt. Die erhaltenen Keratinpartikel wurden hinsichtlich ihrer Korngröße, ihrer Aminosäurezusammensetzung sowie Quellung und Löslichkeit analysiert.
Ergebnisse
Aus unbehandelten sowie chemisch vorbehandelten bovinen Haaren konnten mittels verschiedener Verfahren Keratinderivate mit unterschiedlichen Eigenschaften erzeugt werden. Die Ausbeuten an löslichem Keratin lagen bei bis zu 98 % bezogen auf die eingesetzte Haarmenge. Die Lösungen unterschieden sich hinsichtlich ihrer Aminosäurezusammensetzung sowie ihrer Molekulargewichtsverteilung (Abb. 1). Zur Gewinnung von Keratinpartikeln erwies sich vor allem das Kaltmahlen als gut geeignet. Es wurden sehr feine Pulver mit einer Korngröße im Bereich zwischen 3 mm und 30 µm erhalten (Abb. 2 und 3). Alle Versuche wurden sowohl im Labor- als auch im Technikumsmaßstab durchgeführt. Die erzeugten Keratinderivate sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften für verschiedene Applikationen einsetzbar.
Danksagung
Das Forschungsvorhaben „Verwertung keratin-haltiger Nebenprodukte aus Gerbprozessen“, Reg.-Nr.: 49MF180013 wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Innovationskompetenz (INNO-KOM) – Modul Marktorientierte Forschung und Entwicklung (MF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.