AUSGANGSSITUATION
Ein wesentlicher Schwerpunkt der Orthopädie und Unfallchirurgie ist die Behandlung entzündeter und verletzter Sehnen an Händen, Schultern, Knie und Füßen. Jeder vierte Erwachsene ist im Laufe seines Lebens betroffen. Weltweit werden jährlich >30 Mio. Fälle behandelt, wobei über 140 Mrd. € Gesundheitsausgaben entstehen. Zur Behandlung stehen begrenzt autologe sowie xenogene oder künstliche Materialien zur Verfügung. Voraussetzung für die Verwendung von Materialien tierischen Ursprungs ist eine vollständige Dezellularisierung, um die Biokompatibilität dieser kollagenbasierten Substrate zu erreichen und Immunreaktionen im Patienten zu verhindern. Basis der etablierten Aufbereitung kollagener Ausgangsmaterialien sind tensid- und enzymbasierte Verfahren zur Entfernung der nichtkollagenen Bestandteile und Dezellularisierung. Die Verfahren sind sehr effektiv, um die Materialien zu reinigen, jedoch sind Spuren von Tensid- und Enzymresten trotz zahlreicher Spül- und Waschschritte im Endprodukt vorhanden.
PROJEKTZIEL
Auf Basis der bekannten gerbereichemischen Aufbereitungsprozesse von Haut sollte im Projekt ein tensid- und enzymfreies Verfahren entwickelt werden, um kompakte, equine Sehnen sowie Sehnenspalte für medizinische Zwecke zu dezellularisieren, um diese als Sehnen- und Bandersatzmaterialien verwenden zu können. Ziel war es, die Sehnen möglichst im Originalzustand, d. h. ohne vorhergehende Zerkleinerungsschritte, vollständig von Zellmaterial zu befreien und die Zielwerte „DNA-Gehalt unter 50 ng/mgTS“, „DNA-Fragmente kleiner als 200 bp“ sowie „keine Zellkerne nachweisbar“ zu erreichen und dabei sowohl die Nativität der Kollagenmatrix als auch die mechanische Stabilität der Sehne so gut wie möglich zu erhalten.
LÖSUNGSWEG
Das Material (oberflächige Beugesehne von Warmblütern) wurde in Gebinden zu je 30 Stück eingekauft. Die Sehnen wurden zunächst als Spalte, in weiterführenden Versuchen als ganze Sehne behandelt und dabei in einen breiten (unterer Abschnitt, druckbelastet) und einen runden Abschnitt (oberer Teil, zugbeansprucht) unterteilt. Die Dezellularisierung wurde in 4 verschiedenen Methoden nach gemeinsamer Vorbehandlung untereinander verglichen (Abb. 1).
Methoden aus der Wasserwerkstatt mit (V1) und ohne Einsatz von Sulfid (V2) wurden biochemischen Methoden unter Einsatz von Tensiden und Enzymen wie Trypsin (V3) bzw. Pepsin (V4) gegenübergestellt. Im Anschluss wurden die verschieden aufbereiteten Sehnenmaterialien auf Azellularität, Mechanik und Biokompatibilität untersucht.
ERGEBNISSE | NUTZEN
Für das sehr kompakte und feste Sehnenmaterial sind die pH-Wechsel-Verfahren im Vergleich zu tensidisch/enzymatischen Methoden sehr gut zur Dezellularisierung geeignet (Abb. 2). Ursachen liegen vor allem im Quell- und Entquellverhalten der Kollagenmatrix. Dieser Pumpeffekt wird bei den herkömmlichen Verfahren nicht genutzt. Somit können die Zellrückstände auch nicht aus der Matrix herausgespült werden. Beim pH-Wechsel vom sauren ins basische Milieu nimmt das Sehnenmaterial sehr viel Wasser auf, die Zellbruchstücke können in Lösung gehen und werden beim Wechsel über den Neutralpunkt herausgewaschen. Um diesen Effekt noch zu verstärken, sind im Ergebnis des Projektes diese Behandlungen zusätzlich unter Druckwechsel durchzuführen. Mit dieser Art der Dezellularisierung werden die genannten Zielwerte sicher erreicht und die mechanischen Eigenschaften der Sehnenmatrix bleiben erhalten (Abb. 3).
Danksagung
Das Forschungsvorhaben „Tensid- und enzymfreie Dezellularisierung von Pferdesehnen“, Reg.-Nr.: 49MF180148 wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Innovationskompetenz (INNO-KOM) – Modul Marktorientierte Forschung und Entwicklung (MF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.