AUSGANGSSITUATION
Fahrzeuginsassen erwarten heutzutage, dass durch das Interieur bei der Bewegung des Fahrzeugs keine Störgeräusche im Innenraum auftreten. Da unangenehme Geräusche wie Quietschen oder Knarzen einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Fahrzeugqualität und des Komforts haben sowie aufgrund der Ablenkung des Fahrers ein Sicherheitsrisiko darstellen, wird von Seiten der Automobilhersteller der Störgeräuschprävention ein hoher Stellenwert eingeräumt. Elastomere Dichtungen, welche im Bereich der Fahrzeugkarosserie verbaut werden, sind in vielen Fällen die Geräuschquellen dieser Phänomene. Solche Dichtkontakte bestehen aus einer geometrisch komplexen Dichtung, einem Gegenmaterial in Form von Glas, Kunststoff oder lackiertem Metall sowie einem eventuell vorhandenen Zwischenmedium und können aufgrund ihrer viskoelastischen Eigenschaften nicht mit den für „harte“ Materialien bekannten Reibgesetzen beschrieben werden. Bisher durchgeführte Untersuchungen zum Reibungsverhalten elastomerer Fahrzeugdichtungen berücksichtigen kaum das Vorhandensein eines Zwischenmediums. Ein Zwischenmedium in Form von Staub, Schmutzpartikeln und/oder Feuchtigkeit hat jedoch einen entscheidenden Einfluss auf das Reibverhalten und den Verschleiß der Dichtung und trägt damit auch zur Entwicklung von Störgeräuschen bei.
PROJEKTZIEL
Ziel des Forschungsprojektes war die Erstellung eines Ursache-Wirkungs-Modelles, welches die Auswirkungen von Zwischenmedien in Form von z. B. Sand, Staub und/oder Wasser/Fett auf das Stick-Slip-Verhalten an geometrisch komplexen Dichtungen darstellt. Die Anfälligkeit einer Dichtung in Bezug auf Stick-Slip bei Relativbewegung (Ursache von Störgeräuschen) durch das Vorhandensein von Zwischenmedien kann somit schon frühzeitig in der Entwicklungsphase berücksichtigt werden.
LÖSUNGSWEG
Für die Erstellung des Modells war zunächst die Erarbeitung einer praxisnahen Prüfmethodik notwendig, um die Dichtungsmaterialien mit den entsprechenden Zwischenmedien reproduzierbar hinsichtlich des Stick-Slip-Verhaltens prüfen zu können. Mit Hilfe dieser praxisrelevanten Prüfungen und der Auswahl der für das vorliegende tribologische System wesentlichen Einflussfaktoren (Art des Zwischenmediums, seine Partikelgröße, Viskosität, sein Volumen…) wurden Ursache und Wirkung von zwischenmedienbedingten Reibphänomenen analysiert.
ERGEBNISSE
Die erarbeitete Prüfmethodik beinhaltet einerseits eine Methode zur Einbringung von verschiedenen Stäuben und andererseits ein Verfahren zur definierten Aufbringung von Wasser und zähflüssigen Medien. Im Falle des Staubes kann je nach Anwendungsfall hierbei zwischen direkter und indirekter Aufbringung gewählt werden. Für den indirekten Auftrag wurde eine Anstaubkammer entwickelt, mit der eine definierte Menge Zwischenmedium im Raum mittels Druckluft verwirbelt wird und somit die Dichtung anstaubt. Die Auftragsmethode für flüssige Medien beinhaltet eine definierte Tropfenanzahl definierten Volumens.
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einfluss des Zwischenmediums deutlich stärker ist als die Effekte durch die Prüfparameter (z. B. Überdrückung, Reibgeschwindigkeit, Anpresskraft, Klima). Im Vergleich der Stäube als Zwischenmedien ist ein eindeutiger Zusammenhang der Reibeigenschaften zur mittleren Partikelgröße gegeben. Mit zunehmender Partikelgröße steigt die gemessene Reibkraft, und es entsteht damit u. U. höherer Verschleiß. Auch die Partikelform der Stäube hat einen deutlichen Einfluss: Je scharfkantiger die Staubpartikel sind, desto höher ist die Reibung. Bei fluiden Medien kommt es im Falle von Wasser zu einem nichtlinearen Verhalten. Die angewendete Tropfenmethode erzeugt eine Erhöhung des Risikos zum Knarzen bei gleichzeitiger Erhöhung des Tropfenvolumens. Wird das Volumen jedoch soweit erhöht, dass eine vollständige Benetzung stattfindet, so wird das Risiko wieder verringert. Schmierfette oder Dichtungspflegemittel benetzen die Oberfläche gut und wirken reibungsreduzierend und damit auch stick-slip-reduzierend. Bei der Kombination aus Staub und Fett ist der prägende Effekt abhängig von der Dispersion der Staubpartikel im Fett. Die ermittelten Reibungsergebnisse wurden mit Hilfe des Stribeck-Modells analysiert. Daraus wurden Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufgedeckt und Phänomene interpretierbar.
Danksagung
Das Forschungsvorhaben „Reibverhalten elastomerer Dichtkontakte mit Zwischenmedium“, Reg.-Nr.: 49VF170024 wurde anteilig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages innerhalb des Förderprogramms „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen – Modul Vorlaufforschung (VF)“ über den Projektträger EuroNorm GmbH gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unterstützung.