Multiskale Simulation der makroskopischen Struktur-Eigenschaftsbeziehungen am Beispiel des Dehnungs- und Relaxationsverhaltens von Leder

BMWi IGF 19719 BG | Laufzeit: 01.2018 – 10.2020 Sascha Dietrich, FILK Freiberg; Julia Orlik, Fraunhofer ITWM Kaiserslautern
  • Kategorien:
  • Leder
  • Werkstoffcharakterisierung

Ausgangssituation

Leder ist ein begehrter nachwachsender Werkstoff, der vor allem in der Fertigung hochpreisiger Gebrauchs­güter Verwendung findet. Die natürlich gewachsene Leder­struktur macht alle Leder­erzeugnisse zum Unikat, bedingt aber auch eine material­inhärente Varianz und ausgeprägte Aniso­tropie der physika­lischen Eigen­schaften. Damit das Potential des Leders den Beanspruchungen während der Verarbeitung und des Gebrauchs entsprechend ausgeschöpft werden kann, ist eine fundierte Material­charakteri­sierung erforderlich. Die gesamtheitliche Erfassung der struktur­bedingten physika­lischen Material­eigen­schaften von Leder ist jedoch mittels etablierter Standard­prüf­verfahren nicht vollum­fänglich realisierbar, da diese u. a. eine Zerstörung des Untersuchungs­materials implizieren. Aus der industriellen Massen­fertigung ergibt sich die Notwendigkeit, Bauteile am Computer zu entwerfen und deren physikalisch-mechanisches Verhalten vorab numerisch zu beurteilen. Jedoch sind Software­lösungen für das Flächen­material Leder derzeit nicht verfügbar.

Projektziel

Das Projektziel bestand in der Entwicklung einer zerstörungs­freien Methodik zur Quantifi­zierung der Zug-Dehnungs-Eigenschaften von Leder mittels multi­skaliger Simulations­operationen, um perspektivisch eine vollum­fängliche und fundierte Vorher­sage des physikalischen Material­verhaltens ganzer Lederhäute entwickeln zu können.

Lösungsweg

Unter Anwendung eines bildgebenden röntgen­tomo­grafischen Verfahrens und bereits entwickelter material­spezifischer Algorithmen zur ortsaufgelösten, struktur­analytischen Leder­untersuchung sollten relevante Struktur­parameter von Leder extrahiert werden. Anhand dieser parametri­sierten Struktur­datensätze sollten konkrete Struktur-Eigenschafts­beziehungen abgeleitet werden. Die ermittelten mikro- und makroskopischen Eigen­schaften der Leder sollten anschließend in die Entwicklung eines realistischen Leder­struktur­modells einfließen, um die Grundlage für eine neuartige multi­skalige Simulations­anwendung an Leder zu schaffen.

Ergebnisse

Im Rahmen des Forschungsprojektes ist es durch bildgebende Analyse­verfahren mittels Mikro­computer­tomografie (µ-CT) gelungen, komplette Leder­struktur­bereiche sowie entsprechende Substruk­turen wie z. B. Kollagen­fasern und Kollagen­faser­bündel an vegetabil-gegerbten Spalt­ledern von Fleck­vieh und Zebu abzubilden. Unter Verwendung eigens entwickelter, automatisiert operierender Segmentierungs- und Parametri­sierungs­algorithmen gelang es, sowohl mikros­kopische als auch makros­kopische Informationen der hierarchischen Leder­strukturen zu extrahieren. Ergänzt durch umfangreiche physikalisch-mechanische Unter­suchungen an einzelnen, aus den Leder­proben präparierten Faser­bündeln, bildeten die in digitaler Form vorliegenden Struktur­daten (z. B. Volumen­dichte, Faser­bündel­eigenschaften, Kontakt- und Verzweigungs­geometrien etc.) die Grundlage für die Erstellung eines stochastischen Leder­struktur­modells. Dieses ermöglichte erstmals die multi­skalige Simulation elastischer und visko­elastischer Struktur­eigenschaften am Beispiel des Zug-Dehnungs-Verhaltens von Leder.

In fortgeschrittenen mathematisch-numerischen Simulations­techniken wurden die sich innerhalb der Leder­struktur ergebenden komplexen Faser­bündel­kontakte berück­sichtigt. Klassisch durchge­führte physikalisch-mechanische Zugversuche zur Validierung der makros­kopischen Simulations­ergebnisse lieferten sehr gute Überein­stimmungen für die betrachteten Skalen der elastischen und visko­elastischen Verformungs­anteile. Rasse­spezifische sowie sich aus den jeweiligen Entnahme­bereichen Rücken, Flanke und Fläme ergebende Unterschiede in den Struktur­eigen­schaften konnten abgebildet werden. In weiter­führenden Arbeiten sind die makros­kopischen Phänomene der permanenten Deformationen sowie der lokalen Aniso­tropien in die Simulations­anwendungen weiter zu implemen­tieren.

   

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Danksagung

Das IGF-Vorhaben 19719 BG der Forschungs­vereinigung „Forschungs­gemeinschaft Leder e. V.“ wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschafts­forschung und -entwicklung (IGF)“ vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundes­tages gefördert. Wir bedanken uns für die gewährte Unter­stützung.

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