
Abb. 2: Entwicklung des Weges bis zum ersten Abriss im Fahrzeug - Die Dichtung wird infolge der Haftkräfte zunächst nur verformt. Der Kontaktpunkt (roter Pfeil) bewegt sich dabei mit dem Schlitten mit (rote Line = Schlittenmittelpunkt). Wird die Haftgrenze erreicht, geht die Reibpaarung in die Gleitphase über.

AUFGABENSTELLUNG
Innerhalb der virtuellen Fahrzeugentwicklung werden auf Basis der CAE-FEM-Konstruktion des Fahrzeuges die Verformungen der Fahrzeugteile bei einer virtuellen Fahrt ausgewertet und so für sämtliche Kontaktstellen relative Verschiebungen d zwischen den Fahrzeugteilen berechnet. Diese relativen Verschiebungen entsprechen jeweils einem theoretischen Reibweg und sind damit Grundvoraussetzung für ein etwaiges Stick-Slip-Verhalten. Die Stick-Slip-Prüfung wiederum liefert auf experimentellem Wege mit der Impulsrate ein Maß dafür, wie viele Stick-Slip-Abrisse eine Reibpaarung auf einem bestimmten Reibweg zeigt. Ist die berechnete, relative Verschiebung im Reibkontakt größer als der mit der Impulsrate verbundene Weg zwischen zwei Stick-Slip-Abrissen, wird davon ausgegangen, dass für den betrachteten Reibkontakt ein Störgeräuschrisiko besteht. Dieses muss dann durch konstruktive Maßnahmen oder die Verwendung einer anderen Dichtung behoben werden. Bei dieser Kombination aus virtueller Relativwegberechnung und Stick-Slip-Prüfung (vgl. Abbildung 1) bleibt aber derzeit ein ganz wesentlicher Faktor unberücksichtigt, was die Vorhersagegüte der Methode begrenzt: Fahrzeugdichtungen sind aufgrund ihres elastomeren Verhaltens und ihrer speziellen Geometrie in hohem Maße verformbar. Das führt dazu, dass sie bei einer relativen Verschiebung der beiden Fahrzeugteile, welche den Dichtspalt bilden, bis zu einer gewissen Belastung „mitgehen“ können (siehe Abbildung 2, Haftphase), ohne dass es tatsächlich zu einer Gleitreibung zwischen Dichtung und Gegenmaterial kommt und damit Stick-Slip-Effekte bzw. Störgeräusche entstehen könnten.
PROJEKTZIEL | ARBEITSHYPOTHESE
Ziel des Projektes ist deshalb die Entwicklung einer Prüfmethode zur Bestimmung des Stick-Slip-Risikos von Dichtungen, die über die Einbeziehung der Bestimmung des Weges bis zum ersten Abriss von Dichtkontakten und einer stochastischen Anregung der Reibpaarung während der Prüfung zu einer realitätsnahen Ermittlung des Stick-Slip-Risikos von Reibpaarungen mit Dichtungen führt.
NUTZEN | AUSBLICK
Die Berücksichtigung des Weges bis zum ersten Abriss in Betrachtung des Stick-Slip-Risikos erzeugt einen Qualitätssprung in der frühen Phase der Karosserieentwicklung von Fahrzeugen und somit in der Vermeidung von Reklamationen und Kundenunzufriedenheit. Die Automobilentwickler können das tatsächliche Stick-Slip-Risiko einer Reibpaarung anhand der konkreten Einbausituation der Dichtung und der dabei vorkommenden Toleranzen und Belastungen bestimmen. Es wird dadurch das Know-how innerhalb der Automobilindustrie in der Dichtungsanwendung gestärkt. Gleichzeitig können gegebenenfalls Kosteneinsparungen im Dichtungsbereich sowohl für Zulieferbetriebe als auch bei den OEMs stattfinden, da die Gleitlackkonzepte oder deren Auswahl speziell auf die jeweilige Kontaktsituation ausgelegt werden können.
FORMALE ANGABEN | PROJEKTLEITER FILK | PROJEKTPARTNER |
Programm: INNO-KOM Förderkennzeichen: 49MF210118 Projektbeginn: 11.2021 Laufzeit: 24 Monate | Dr. Martin Strangfeld | keine |



